eine Recherche-Zusammenfassung und eigene Schlussfolgerungen aus dem Jahr 2006 ff von Bernhard Luther
Recherche in Bolivien
Tamara Bunke, deutsch/argt. Guerilla - Codename Tanja – traf 1959 zum ersten mal auf Ché, als dieser innerhalb einer Delegation als Präsident der kubanischen Nationalbank die DDR bereist. Tamara dolmetscht für ihn (und himmelt ihn an). Er setzt sich dafür ein, dass sie eine offizielle Einladung zum Besuch von Kuba erhält.
Nach einem längeren Aufenthalt in Kuba von 1961 bis 1964 und nach Tarnreisen zur Abdeckung der Legende durch Europa trifft sie im November 1964 über Peru eingereist in Bolivien ein. Sie legt den gefälschten Paß, als Laura Gutiérrez Bauer, geb. 15.1.1938 in Buenos Aires (Argt.) vor.
Sie übernahm die Aufgabe für die cubanische Guerilla den Melde- und Informationskopf in La Paz zu bilden. Dafür arbeitete sie 2 Jahre hart an ihrer Legende und kam in dieser Zeit sogar mit dem Präsidenten, General Barrientos, Boliviens in Kontakt. Unter der Vorspiegelung eine Studie über die Folkkore- Musik der Andenbauern zu machen, konnte sie sich ziemlich unbehelligt in Bolivien bewegen. Selbst der Ehemann, den sie nur zum Schein für „saubere Papiere“ 1966 heiratete,
Zeitzeugenbefragung in Bolivien
bekam von ihrer undercover-Arbeit nichts mit. Auch nicht, als sie sich ein halbes Jahr später wieder von ihm scheiden ließ. Wie eine gute Schauspielerin spielte sie auf vielen Bühnen gleichzeitig.
Dennoch wünschte sie sich auch die Unterstützung Kubas direkt in La Paz. Der sie auszubildende dunkelhäutige kubanische Geheimdienstmitarbeiter „Mercy“ reiste am 1.1.1966 nach La Paz und übermittelte ihr die besten Wünsche von allen kubanischen Genossen. Eine Zeit lang (Frühjahr 1966) wurde sie von „Mercy“ an verschiednen Orten u.a. in Sao Paulo (Brasil) geschult. Sie sollen ein Verhältnis gehabt haben. Nach der Rückreise nach Bolivien, wo sie dann erneut mit Genossen aus Kuba zusammen traf, arbeitete sie verbissen weiter.
Hauptmann „Pombo" und engster Mitarbeiter von Ché überbrachte Mitte 1966 die taktischen strikten Anweisungen, dass Tanja weder an dem organisatorischen Aufbau teilnehmen, noch Kontakte zur Kommunistischen Partei Bolivien oder auch zu der abgespaltenen Gruppe
Zeitzeugenbefragung zum Tod von Ché
ZAMORA, der Partei aufnehmen sollte. Sie sollte sich lediglich auf die Versorgung und Unterbringung der nach und nach einreisenden (einsickernden) Kämpfer beschränken.
Ché reiste, getarnt als Geschäftsmann, im November 1966 nach Bolivien ein.
In Camiri (Stadt im Süden Boliviens nahe an der Grenze zu Argentinien an der Schwelle zwischen dem Tiefland und den letzten Bergen der östlichen Anden) ist Tanja schon als „studierende Folklore - Spezialistin“ bekannt. Außerdem hatte sie schon ihre eigene Rundfunksendung in der „Zarenda Rundfunkstation“ in Camiri mit dem Titel „Ratschläge für die Frau“. Über diesen Sender gibt sie u.a. verschlüsselte Mitteilungen durch, die für andere bereits im Aufbau eines Basislager beschäftigte Guerilla-Mitglieder bestimmt sind.
Ende Dezember 1966 besucht Tanja das Hauptlager und bringt diverse Versorgungsgegenstände mit. Sie unterhält sich längere Zeit mit Che´ und fotografiert die Kämpfer. CHE´ erteilt ihr den Auftrag nach Argentinien / Buenos Aires zu reisen, um dort ebenfalls die
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Lage für den bewaffneten Kampf bei den dortigen Genossen zu überprüfen, die Ché ebenfalls in den Kampf führen möchte. Es liegt die Vermutung nah, dass dieses das eigentliche Ziel Ché's war - die Befreiung seiner Heimat von der herrschenden Klasse.
Als die Guerilla-Kämpfer zu Beginn des Jahres 1967 in Bolivien in der Vorbereitungszeit waren, u.a. Trainingmärsche durchführten, den Ausbau von Außenlagern und Munitionsdepots vorantrieben, sowie den Guerillakampf und Verhaltensmaßnahmen unter der Anleitung von Che´ übten, brachte Tanja die Intellektuellen Debray (franz.) und Bustos (argent.) ins Lager. Den dazu benutzten Jeep hatte sie in Camiri in einer Garage abgestellt.*
Der französiche Philosoph Debray hatte seinen avisierten Kontaktmann in La Paz verpasst. Da nur Tanja zur Verfügung stand, die den Weg ins Lager kannte, entschied sie sich entgegen Ché´s Anordnung und fuhr abermals ins Lager. Auch den argentinischen Zeitungs-Zeichner Bustos nahm sie mit. Beide Personen wollten sich angeblich den Kämpfern anschließen.
Diese Fahrt war zwar konspirativ geplant, jedoch beging Tanja den Fehler, den Jeep in Camiri stehen zu lassen. Darin fanden die CIA- und Polizei-Fahnder später belastendes Material (u.a. unentwickelte Film-/Foto-Rollen) gegen Tanja.*
Durch den längeren Aufenthalt von Tanja, Bustos und Debray im Hauptlager – sie warteten mehrere Tage auf Ché´s Rückkehr - boten sie ein Ziel für die Gegner, die schon Ermittlungen aufgenommen hatten. Durch einen Nachbarn der gekauften Guerilla- Finca,* das einzige feste Haus weit und breit (Casa de Calamina), war der Verdacht der Rauschgiftproduktion aufgekommen, da es in diesem Bereich auch Koka-Pflanzungen gab.
Außerdem hatte das bolivianische Militär schon Aufklärungsflüge unternommen, um die Bewegungen der „Rauschgift-Partisanen“ nachzuvoll-ziehen. Zu allem Übel waren zwei Bolivianer aus der Guerilla-Truppe desertiert, die genau wussten, wo sich das Hauptlager befand.
Ché war nach seiner Rückkehr am 20. März 1967 im Lager erbost darüber, dass Tanja dort war (sie trug schon
* = Fehlerhaftes Verhalten von TANJA
Tarnkleidung und hatte sich in den Wachdienst einteilen lassen), zumal durch den Aufenthalt „einer Frau“ dann besondere Vorsichts- bzw. Rücksichtsmaßnahmen eingeführt werden mussten.* Die Männer erhielten - unter Androhung erschossen zu werden - das strikte Verbot, sich der Hängematte von Tanja in einem Abstand von weniger als 2 Metern zu nähern.
Ché war sichtlich erschöpft und abgemagert, sowie auch die Mitkämpfer von den auslaugenden Märschen gezeichnet, zumal die Versorgung der Kämpfer auf den Übungsmärschen mit Lebensmitteln sehr unzureichend organisiert war. Man hatte gehofft, den Bauern Lebensmittel abkaufen zu können, was sich aber aufgrund der Lebensmittel-Mangelsituation der Landbevölkerung als schwierig darstellte.*
Z.B. ein Packpferd hatten die übenden Kämpfer unterwegs schon gegessen, um Fleisch als Nahrung zu bekommen. Die gesamte Gegend erwies sich für den bewaffneten Kampf als schlecht ausgesucht und äußerst hinderlich*.
... Fortsetzung: Abschnitt 3 ...
Zusammen mit Ché in La Huigera
Alle Gespräche von Ché mit den Bauern der Gegend, diese für den bewaffneten Kampf für ihre „Befreiung“ zu bewegen waren, waren ohne Erfolg geblieben. Vielmehr hatten die Bauern bedenken, dass durch den Aufenthalt der Guerilla, jetzt erst recht das Militär in ihr Gebiet kam und ihnen die letzten Lebensmittelvorräte konfiszieren (stehlen) würde.
Tanja hatte sich bei der Voraufklärung wie eine Studierende oder Touristin bewegt und somit dieses mit entscheidende Phänomen für den späteren Kampf nicht erkannt.*
Die Lage war verfahren. Die moskautreue kommunistische Partei Boliviens unterstütze das ganze Unternehmen zu halbherzig. Ein sich abspaltender Flügel der Partei – eher China orientiert – wollte auch nicht helfen, z.B. aufbegehrende Minenarbeiter des Hochlandes für die Guerilla zu gewinnen. In dieser Phase hätte Tanja in La Paz gute, die ihr zugedachten Dienste für die Sache der Revolution, möglicherweise erzielen können. Aber durch den Ausfall des sehr wichtigen Informations- und Meldekopfes in La Paz (Tanjas eigentliche und ihr zugeordnete Aufgabe) fehlte das entscheidende Bindeglied und dadurch wusste Ché zudem nicht, wie viele Soldaten gegen ihn eingesetzt wurden. *
Ché nach Gefangenschaft
Bald kam es zu bewaffneten Zusammenstößen mit den Armee-Einheiten, sodass Tanja auch ein Gewehr von Che´ überreicht bekam. Damit war sie als Kämpferin in den Kreis der Männer aufgenommen.
Mitte April 1967 wurde sie krank und hatte Fieber.* Daraufhin ordnete Che´ die Kämpfergruppen neu, um eine gewisse Sicherheit bis zum Abklingen des Fiebers zu gewährleisten und unterstellte die Gruppe um Tanja der Nachhut von Joaquin.
Die unterschiedlich schnell marschierenden Gruppen verloren auf den Märschen alsbald den Kontakt untereinander, so dass sie nicht mehr taktisch operieren konnten und somit jede Kampftruppe auf sich allein angewiesen war.
Mangelnde körperliche Härte, Verrat von Überläufern, Aussagen - die unter Folter zu Stande kam - der sich absetzenden und kurze Zeit später gefangen genommenen Debray und Bustos, mit den dann damit verbundenen erpressten Einzelheiten und Informationen, die Identifizierung der einzelnen Kämpfer der Truppe um Ché usw. brachte das Militär in eine erhebliche Vorteilslage. Von diesem Zeitpunkt an, befanden sich Ché mit seiner Gruppe und die verbliebenen
* = Fehlerhaftes Verhalten von TANJA
Ausgrabungen Ché's Gebeine
Kämpfer um Tanja ständig auf der Flucht. Einmal noch agierten Ché und seine Männer, als sie generalstabsmäßig den Ort Samaipata einnahmen um Medikamente (Ché hatte schweres Asthma), Waffen und Lebensmittel zu besorgen. Danach reagierten die Guerillas nur noch, da das nun erheblich verstärkte Militär gezielt nun immer engere Kreise zog.
Die Gruppe der Kämpfer um Joaquin und Tanja trifft immer häufiger auf die vorrückenden Soldaten. Wieder desertieren zwei Männer während eines Feuergefechts und einer von ihnen verrät die Nachschub-Nebenlager „Höhle des Bären“ und „Steinbach“. Ein empfindlicher Schlag. Die Guerillas sind vom letzten eingelagerten Nachschub abgeschnitten. Tanja kann nicht mehr. Sie fällt auf der Flucht immer weiter zurück und kommt mit mehrstündiger Verspätung an den Sammelpunkt, wo die anderen auf sie warten.*
Bei einem Bergaufstieg wird der Führer der Kommunistischen Jugend, Pedro, durch einen Schuss in den Rücken getötet. Die anderen haben nichts mehr zu essen, die Stiefel sind zerfetzt und sie geraten dann bei der Durchquerung des Rio Grande am 31.8.1967 in einen Hinterhalt. Ein Bauer hatte sie auf Geheiß des Militärs dort hingelockt. Unvorsichtig wateten die letzten 9
... Fortsetzung: Abschnitt 4 ...
Alle Gespräche von Ché mit den Bauern der Gegend, diese für den bewaffneten Kampf für ihre „Befreiung“ zu bewegen waren, waren ohne Erfolg geblieben. Vielmehr hatten die Bauern bedenken, dass durch den Aufenthalt der Guerilla, jetzt erst recht das Militär in ihr Gebiet kam und ihnen die letzten Lebensmittelvorräte konfiszieren (stehlen) würde.
Tanja hatte sich bei der Voraufklärung wie eine Studierende oder Touristin bewegt und somit dieses mit entscheidende Phänomen für den späteren Kampf nicht erkannt.*
Die Lage war verfahren. Die moskautreue kommunistische Partei Boliviens unterstütze das ganze Unternehmen zu halbherzig. Ein sich abspaltender Flügel der Partei – eher China orientiert – wollte auch nicht helfen, z.B. aufbegehrende Minenarbeiter des Hochlandes für die Guerilla zu gewinnen. In dieser Phase hätte Tanja in La Paz gute, die ihr zugedachten Dienste für die Sache der Revolution, möglicherweise erzielen Auch die Frage, wie und ob die CIA ihn verfolgte und wie Kuba ihm noch helfen konnte, blieb unbeantwortet. Auch wichtige Kontakte u.a. zu Gewährsleuten, die neue Kämpfer ins Gebiet einschleusen sollten, kamen zudem deshalb nicht zu Stande.*
Ché notiert diese entscheidende Phase in seinem Tagebuch am 27. März 1967, nachdem er durch Radio Habana eine verschlüsselte Nachricht erhalten hatte: „ ........... Zweifellos haben die Deserteure oder der Gefangene geredet, nur weiß man nicht genau, wieviel und wie sie es
sagten. Alles deutet darauf hin, dass Tanja für sich allein handelt oder identifiziert (= enttarnt) worden ist.* Damit gehen zwei Jahre guter und geduldiger Arbeit verloren. Es ist jetzt schwierig, jemanden weggehen zu lassen.....“
Die Guerillas mussten sich wegen Tanja, Debray und Bustos personell aufspalten, um diese schnellstens aus der Gefahrenzone zu bringen. Debray wollte gerne auch „mal“ mitkämpfen, während Ché ihn nur als Kurier für wichtige Briefe nach Europa an Jean-Paul Sartre und Bernhard Russell vorsah.
Ché teilte Tanja der Hauptgruppe am 3. April 1967 zu. Bald stellte sich jedoch heraus, dass Tanja den Anforderungen den Märschen nicht in jedem Fall gewachsen war. Die Ausrüstung war schwer, die Stiefel passten nicht, die Füße waren wund.* Dennoch machte sie sich in vieler Hinsicht nützlich. Sie nähte die Kleidung wieder zusammen, hörte das Radio ab, sammelte und analysierte wichtige Meldungen.können. Aber durch den Ausfall des sehr wichtigen Informations- und Meldekopfes in La Paz (Tanjas eigentliche und ihr zugeordnete Aufgabe) fehlte das entscheidende Bindeglied und dadurch wusste Ché zudem nicht, wie viele Soldaten gegen ihn eingesetzt wurden. * Auch die Frage, wie und ob die CIA ihn verfolgte und wie Kuba ihm noch helfen konnte, blieb unbeantwortet. Auch wichtige Kontakte u.a. zu Gewährsleuten, die neue Kämpfer ins Gebiet einschleusen sollten, kamen zudem deshalb nicht zu Stande.*
* = Fehlerhaftes Verhalten von TANJA
Kämpfer hintereinander durch den Fluß. Als sie in der Mitte angelangt sind werden sie durch die Salven der schon am anderen Ufer wartenden Soldaten niedergestreckt und getötet. Tanjas Leiche wird Tage später am Flussufer entdeckt und in den Ort Vallegrande gebracht.
Ché erfährt aus dem Radio zwei Tage später, was sich ereignet hat. Er selbst trotzt der Entbehrungen durch Hunger, Durst und Krankheit. Dabei wird der Rest der Truppe immer wieder in Gefechte verwickelt. Ché wurde 1 Monat und 8 Tage später gefangen genommen und am darauf folgenden Tag auf Befehl aus La Paz im Schulhaus von La Higuera hingerichtet.
Man verbuddelte die Leichen der Guerillas am Rand des Flugfeldes in der Nähe des Friedhofes von Vallegrande in einer Nacht und Nebelaktion. Nur wenige Personen des Militärs kennen den Ort, schweigen jedoch 30 Jahre lang.
1997 wurden die Leichen nach einer aufwendigen Suchaktion von kubanischen Spezialisten geborgen und umgebettet (siehe Fotos der Ausgrabungen = bisher unveröffentlich - n. m. Erkenntnissen).
Tanja und deren Mitkämpfer wurden auf einem besonderen Stück neben dem Friedhof ein buntes Denkmal gesetzt. Während die Gebeine von Tanja und Ché nach Kuba verbracht und im Mausoleum von St. Clara die letzte Ruhe fanden, sind die Gebeine der Mitkämpfer auf dem abseits des Friedhofs gelegenen Grundstück beigesetzt worden.
Eberhard Panitz - Der Weg zum Rio Grande, Verlag Neues Leben Berlin, ca. 1973 (Lizenz Nr. 303( 305/16/73))
Robert Lessmann - „Ché Guevara“, Diederichs Kompakt, ISBN: 3-7205-2750-6 aus 2006 = Zusammenstellung aus den verschiedensten Quellen / aktuelle Infos
Roberto Querejazu Calvo - Ché Guevara, El Quijote de Nanacahuazu (in spanischer Sprache)
Fritz Rene´ Allemann - Fidel Castro, Die Revolution der Bärte, Autor (deutsche Ausgabe) 1961
INTI Peredo – mi campana con el „CHE”
Pablo Morano Aguiano - Ernetso “Che” Guevara, 2005, Mexico (in spanischer Sprache)
Autor
Bernhard Luther mit Recherchen in Bolivien (La Hiugera, Valle Grande) 2006, Cuba 2008 und Cuba 2014
© 2022 - Bernhard Luther - Alle Rechte vorbehalten
zuletzt aktualisiert: 14.01.2024
Erstellt mit Mywebsite von Ionos.de - www.KHansengluschitz.de
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